Bewerbung aus dem offenen Vollzug

Informationen und Fragen zum Bewerbungsablauf, zu einzelnen Elementen der Bewerbungsmappe und zu individuellen Formulierungen. Wie soll eine Bewerbungsmappe aufgebaut sein? Welche Fakten gehören in ein Anschreiben? Welche Formulierungen sollten unbedingt vermieden werden?
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restartmylife
Beiträge: 1
Registriert: 10.11.2012, 13:30

Bewerbung aus dem offenen Vollzug

Beitrag von restartmylife »

Hallo liebe Forenuser,

ich habe folgendes Problem:

ich wurde im August 2010 wegen einer Straftat zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt und befinde mich seit 6 Monaten im offenen Vollzug.
Ich will hier zuerst einmal ganz offen auf meine Straftat eingehen.
Ich habe vor meiner Haft ein recht schizophrenes Leben geführt, einerseits Workaholic in der IT-Branche, anderseits pflegte ich öfters Kontakte ins "subkulturelle Milleu". Meine Strafttat fällt in die Kategorie "Selbstjustiz", juristisch ein Raub.

Für mich beginnt nun ein neues Leben, ich habe viele Fehler gemacht, meistens jedoch mir geschadet. Ich werde bald entlassen, was aber noch viel wichtiger ist, ich werde Vater.

Meine berufliche Laufbahn hatte viele Stationen, meistens im IT-Umfeld, u.a. auch als selbständiger IT-Berater. Ich bin trotz Haft "uptodate".

Ich brauche jetzt einfach einen Job, nichts Hiochtrabendes, auch Zeitarbeit. Ich darf hier im Vollzug ein freies Beschäftigungsverhältnis nachgehen, abends muss ich dann zurück in die Anstalt.

Doch wie kann ich meine derzeitige Situation nur in einem Bewerbungsanschreiben verpacken? Wie formuliere ich die ersten Sätze?
Vielleicht sollte ich sogar etwas Selbstironie einbringen?

Ich bin sehr dankbar über Gedankenanregungen und Tipps! Falls mehr Informationen benötigt werden, einfach Bescheid sagen.

Vielen Dank für Antworten!
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FRAGEN
Bewerbungshelfer
Beiträge: 12148
Registriert: 22.07.2006, 18:18

Beitrag von FRAGEN »

Ein schwieriges Thema. Da tippt man die Sätze nicht so einfach runter. Ich versuche es mal Schritt für Schritt: Ironie scheint mir in diesem Fall kontraproduktiv zu sein. Ein Unternehmer (der ja sicher auch den ein oder anderen Vermögenswert in Heim und Firma stehen hat) kann in einem nachweislichen "Räuber" sicherlich nichts Lustiges erkennen... und in dessen eigenem Lachen vermutlich bestenfalls Unreife...

Verschweigen kann man es wohl auch nicht. Wenn man aber versucht, das Ganze komplett nachvollziehbar zu erklären, geht wohl der gesamte Bewerbungstext dafür drauf... und für das eigentlich Wesentliche (Deine Leistung) ist kein Platz mehr.

Ein möglicher Ansatzpunkt könnte m. E. Deine Selbständigkeit als IT-Berater sein. Wenn Du Dich als solcher (d. h. als "freier" Dienstleister) vorstellst, ist die Hemmschwelle sozusagen niedriger. Du gehörst dann ja nicht "richtig" zur Firma, d. h. man wird Dich schneller wieder los, falls das nötig sein sollte. Vielleicht müsstest Du als "Unternehmer" in eigener Sache vielleicht sogar gar nicht so viel zu Deinem Vorleben erzählen?!?

Ich glaube, ich würde mich erst einmal grob an den Akquise-Schreiben orientieren, die ich früher verfasst hätte. Wie sahen die denn aus?
therese
Bewerbungshelfer
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Registriert: 26.10.2010, 23:12

Beitrag von therese »

Also mein erster Gedanke war: Nichts davon sagen.
Meiner Ansicht nach - vorausgesetzt natürlich du hast deine "Lektion" gelernt wie man so blöd sagt, du weißt also wohin mit dir im Leben, wie du es anständig und vernünftig auf die Reihe bringst und was dir besonders wichtig ist. Du wirst Vater - toll! Da hast du jetzt einen Lebenssinn für den es sich m.E. zu kämpfen lohnt.
Demzufolge ist das Wichtigste in deinem Anschreiben deine fachliche Qualifikation. Auf die würde ich mich ausschließlich beziehen.
Wenn du eine Einladung bekommst würde ich dann jedoch sofort mit der Wahrheit rausrücken, ABER: Nur kurz. Sagen wie es ist, wann du raus kommst und wie deine familiäre Situation ist. Ob ich den Grund sagen würde warum du einsitzt würde ich ggf sehr spontan entscheiden. Wenn der andere einen offenen Eindruck macht, kannst du es sagen, nur um dir nachher nicht vorwerfen lassen zu müssen "ja wenn wir gewusst hätten, dass es Raub war, hätten wir Sie doch nie eingestellt!"
Weißt du wie ich das meine? Die Menschen und ihre Vorurteile sind leider sehr verschieden und meist doch auch sehr klischeebehaftet.
Die sollen dich einladen, weil sie von deinen fachlichen Fähigkeiten überzeugt sind. Jeder hat eine Vergangenheit und ich bin nicht mal sicher ob du rechtlich überhaupt verpflichtet bist sowas mitzuteilen. Da kann dir dein Anwalt ggf einen Tipp geben. Ich vergleiche das gedanklich grad mit einer schwangeren Frau, resp. Mutter, die im VG gar nicht sagen muss, dass sie Kinder hat, weil es sie ggf schlechter dastehen lässt. Wobei sicherlich ein Raub was anderes ist als ein Kind zu haben ;) Aber du verstehst bestimmt was ich meine.

Spontan also: Nicht schreiben, aber später sagen, dafür aber nur kurz, denn dein eigentliches Ziel ist es ja dein Leben auf die Reihe zu kriegen und ohne Chance ... hast du keine Chance.

Viel Erfolg!
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