ein paar Zusagen und die Ungewissheit, was auf einen zukommt

Fragen zum Bewerbungsgespräch und zum Interview: Welche Kleidung ist am besten? Welche Vorbereitung ist nötig? Welche Fangfragen werden gestellt? Wie bekomme ich meine Aufregung in Griff?
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flagellum
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ein paar Zusagen und die Ungewissheit, was auf einen zukommt

Beitrag von flagellum »

Hallo zusammen, ich habe nach 70 Bewerbungen als Quereinsteiger in die Buchhaltung ohne Berufserfahrung mehrere Zusagen erhalten und habe jetzt die Qual der Wahl, fürchte ich, aber auch Bedenken.

Die erste Stelle läuft über Zeitarbeit, von einem der Platzhirsche im Rechnungswesen, 30 Std./Woche, um die 12€/Stunde oder knapp drüber, im Einzelhandel, einige Filialen und ein Onlineshop. Der Abteilungsleiter sucht jemand, der ihm hilft: Buchungen in DATEV, Rechnungen, Erstattungen, eher einfache Sachen. Der Arbeitsplatz ist im selben Raum mit ihm, er übernimmt die Einarbeitung. Das Menschliche sei ihm wichtiger gewesen als das Fachliche sogar, sagte er im zweiten Interview.

Er sagte, er habe da bittere Erfahrungen, er sei froh, dass die Kollegin jetzt weg ist in den Mutterschutz, so übernehme er gerne die Einarbeitung, so hat man mehr Klarheit, und dabei so dicht nacheinander diese Sätze ausgesprochen, dass es fast eindeutig war, dass es Probleme gab.

Die Stelle soll zunächst 12 Monate so laufen, es sei jetzt nicht abzusehen, wann die Kollegin zurückkommt nach den 12 Monaten, in Vollzeit oder Teilzeit und sogar in welcher Position. Ist er von der Geschäftsführung zurechtgestutzt worden, die Abteilung schleunigst auf die Beine zu kriegen oder sich auch eine neue Stelle zu suchen?

Ein sympathischer, junger Typ, verheiratet, ein kleines Kind, neues Haus, deutscher Mittelstand halt, eine der besten Weiterbildungen, kein Studium. Was mir da etwas sauer aufstößt: Zeitarbeit und die Vergütung in Teilzeit; aber die großen Bedenken kamen, als die persönliche Note ("die bitteren Erfahrungen") so gleich im zweiten Gespräch kam: vor allem die Enttäuschung im Gesicht.

Er wolle jemand dabei haben, der eine andere Sichtweise mitbringt (ich bin Humanwissenschaftler), sagte er. Sucht mein künftiger Chef nach Verbündeten, ist er ein bedürftiges Opfer, das mich oder meine Loyalität manipulieren wird? Keine Ahnung, die Offenheit hat mich erstaunt, aber nicht so großartig gestört. Lohn: um die 1150€ oder knapp drüber netto, Fahrkarte auch, und vielleicht 6€ Zuschuss / Tag für ein Essen oder so, mager, oder?

Die zweite Stelle: auch dort Buchhalter gesucht, schon wieder Mutterschutz/Elternzeit, 12 Monate, Vollzeit, Direkanstellung an einer Universität. Nicht nur Buchungen, sondern auch administrative Tätigkeit, man verwaltet da auch die Gelder für die Forschung und man betreut Doktoranden, muss sie also informieren, argumentieren können etc. Sie suchen nach jemand mit -möglichst- Uniabschluss und finden kaum welche. Gehalt: etwas über 1500€ netto.

Die dritte Stelle, als Kundenbetreuer -hab das schon mal gemacht- in Direktanstellung und Vollzeit bezahlt deutlich besser als beide, interessiert mich aber net, da werde ich gleich absagen müssen. Ich verstehe jedoch einfach nicht, warum eine Führungskraft im zweiten Gespräch einen -gelinde gesagt- unkonventionellen oder gar unprofessionellen Eindruck abgeben wollen würde, so gern ich den Typen mag.
Romanum
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Beitrag von Romanum »

flagellum hat geschrieben:Ich verstehe jedoch einfach nicht, warum eine Führungskraft im zweiten Gespräch einen -gelinde gesagt- unkonventionellen oder gar unprofessionellen Eindruck abgeben wollen würde, so gern ich den Typen mag.

Wieso interpretierst du das Verhalten denn so negativ? Rein gedanklich kannst du dich doch mal damit beschäftigen, welche "positiven" oder "neutralen" Gründe es für seine Aussagen geben könnte. Vielleicht bist du im Vorstellungsgespräch mit deiner "Ehrlichkeit" vorangeprescht, so dass du das Vertrauen dieses Abteilungsleiters gewonnen hast.

Es wäre sicherlich auch interessant gewesen, mehr über "die bitteren Erfahrungen" zu erfahren. Man soll zwar nie schlecht über etwas reden... Aber eine reflektierte und selbstkritische Antwort auf interne Probleme kann so manchen Erkenntnisgewinn bringen und dann auch Türen öffnen.

flagellum
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Beitrag von flagellum »

Hallo, Romanum, und danke Dir für die Rückmeldung. Ich bin da nicht so negativ, wie es sich zunächst vielleicht doch liest. Ich will bloß nicht an jemand geraten, dem ich dann als seine rechte Hand ausgeliefert bin, von Kollegen quasi mit Befremden oder Entsetzen beäugt werden, weil alle den Spion oder Petzer in mir vermuten und zu erkennen meinen, ich will also nicht ins Kreuzfeuer geraten, falls da irgendwelche Nervenkriege ausgefochten werden.

Wenn ich mit jemand arbeite, der sich persönlich bindet, binde ich mich umso stärker. Das kann durchaus seine Spuren hinterlassen, daher die Bedenken. Den genauen Zusammenhang hat er mir nicht erzählt, auf jeden Fall kamen jedoch in seiner Erzählung die Wörter "griesgrämig" und "abweisend / mürrisch" vor, und zweimal das Wort "bitter". Du weißt wahrscheinlich, dass einer Führungskraft solche Worte manchmal kein zweites Mal verziehen werden, nicht jede Geschäftsführung würde damit locker umgehen wollen.

Ich bin kein GF, ich bin allerdings ein Arbeitnehmer, der in einem solchen Fall manipulativ behandelt werden kann: neu, in Arbeitnehmerüberlassung und seine alleinige Assistenz. Diese Exklusivität kann einem Angst machen. Ich frage mich da schon: Was passiert, wenn ich (auch) in seine Ungnade fallen sollte? Selbst wenn man also die ganze Offenheit erstmal ignoriert -und dazu bin ich sehr wohl fähig-, frage ich mich trotzdem, was genau da vorgefallen ist.

Er ist mir eigentlich sehr sympathisch und ich kann von ihm lernen, aber ich will keine Opfergemeinschaft und keine Leidensgenossenschaft mit meinem Chef gründen, das wäre für alle Parteien verheerend. Das ganze Thema dauerte keine 5 Minuten, war also nicht der Schwerpunkt im Gespräch, trotzdem meinten ein paar Freunde von mir, denen ich die Sache erzählt habe, ich sollte vorsichtig sein mit "einem solchen Vorgesetzten".
Romanum
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Beitrag von Romanum »

Ja, danke für den Einblick in deine Gedankenwelt... Es klingt alles vernünftig und überlegt... Also kann es sein, dass der sympathische Herr dich schon für sich eingenommen hat, und du ihn jetzt mit einer Absage nicht enttäuschen willst? Klingt ein bisschen so, als wenn du jetzt eigentlich überlegst, wie du ihm deine Absage schonend beibringen kannst. :wink:

Die Uni-Stelle ist ja wohl nicht schlechter, du hättest die Nachteile der Zeitarbeits-Stelle nicht und der Gehalts-Unterschied ist schon sehr deutlich.
flagellum
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Beitrag von flagellum »

Romanum hat geschrieben:Ja, danke für den Einblick in deine Gedankenwelt... Es klingt alles vernünftig und überlegt... Also kann es sein, dass der sympathische Herr dich schon für sich eingenommen hat, und du ihn jetzt mit einer Absage nicht enttäuschen willst? Klingt ein bisschen so, als wenn du jetzt eigentlich überlegst, wie du ihm deine Absage schonend beibringen kannst. :wink:

Die Uni-Stelle ist ja wohl nicht schlechter, du hättest die Nachteile der Zeitarbeits-Stelle nicht und der Gehalts-Unterschied ist schon sehr deutlich.
Hi, bitte, gern geschehen. Deine Annahme geht schon in die richtige Richtung. Mit zwei Unterschieden. Der eine ist: Sollte ich absagen, so ist er nicht der einzige, der vielleicht etwas Enttäuschung dabei empfinden wird, sondern ich auch!

Ich mag ihn echt und ich kann mir grundsätzlich nach derzeitigem Kenntnisstand vorstellen, mit ihm zusammenzuarbeiten. Das ist ja vielleicht auch das Problem o.O Die restlichen Mitarbeiter -3 Leute- habe ich noch nicht gesehen.

Der zweite Unterschied: ich muss heute noch zum Personaldienstleister, um zu unterschreiben! Ich werde ihm und mir also die Chance geben, uns näher kennenzulernen und am Arbeitsplatz live zu erleben. Sollte sich der Verdacht bestätigen, kündige ich mit der 2-Wochen-Frist in der Probezeit noch. So einfach ist das. Wenn Du eine Begründung für diese Vorgehensweise brauchst, einfach sagen, will bloß noch keinen weiteren Roman schreiben :)

Aber Zeitarbeit und die geizige Bezahlung; da mache ich mir auch meine Gedanken. Zunächst war die Rede von "12 Monaten", da die Dame ja in den Mutterschutz geht etc. Dann hieß es in der nächsten Woche nach dem ersten und vor dem zweiten Gespräch, es besteht jetzt auch die Übernahmeoption! Bei einer besetzten Stelle?!

Wie kann das jetzt auf einmal sein? Bei lauter Teilzeitstellen, wo das Unternehmen sowieso sehr akribisch und knapp seinen Personalbedarf bereits berechnet? Meine wäre ja auch 30Std./Woche. Jetzt auf einmal hätte man eventuell Platz für noch einen Angestellten, wenn ich mich gut machen sollte?

Wie reimt sich das denn zusammen? Deswegen also die Bedenken.
BlackDiamond
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Beitrag von BlackDiamond »

flagellum hat geschrieben:
Romanum hat geschrieben:Ja, danke für den Einblick in deine Gedankenwelt... Es klingt alles vernünftig und überlegt... Also kann es sein, dass der sympathische Herr dich schon für sich eingenommen hat, und du ihn jetzt mit einer Absage nicht enttäuschen willst? Klingt ein bisschen so, als wenn du jetzt eigentlich überlegst, wie du ihm deine Absage schonend beibringen kannst. :wink:

Die Uni-Stelle ist ja wohl nicht schlechter, du hättest die Nachteile der Zeitarbeits-Stelle nicht und der Gehalts-Unterschied ist schon sehr deutlich.
Hi, bitte, gern geschehen. Deine Annahme geht schon in die richtige Richtung. Mit zwei Unterschieden. Der eine ist: Sollte ich absagen, so ist er nicht der einzige, der vielleicht etwas Enttäuschung dabei empfinden wird, sondern ich auch!

Ich mag ihn echt und ich kann mir grundsätzlich nach derzeitigem Kenntnisstand vorstellen, mit ihm zusammenzuarbeiten. Das ist ja vielleicht auch das Problem o.O Die restlichen Mitarbeiter -3 Leute- habe ich noch nicht gesehen.

Der zweite Unterschied: ich muss heute noch zum Personaldienstleister, um zu unterschreiben! Ich werde ihm und mir also die Chance geben, uns näher kennenzulernen und am Arbeitsplatz live zu erleben. Sollte sich der Verdacht bestätigen, kündige ich mit der 2-Wochen-Frist in der Probezeit noch. So einfach ist das. Wenn Du eine Begründung für diese Vorgehensweise brauchst, einfach sagen, will bloß noch keinen weiteren Roman schreiben :)

Aber Zeitarbeit und die geizige Bezahlung; da mache ich mir auch meine Gedanken. Zunächst war die Rede von "12 Monaten", da die Dame ja in den Mutterschutz geht etc. Dann hieß es in der nächsten Woche nach dem ersten und vor dem zweiten Gespräch, es besteht jetzt auch die Übernahmeoption! Bei einer besetzten Stelle?!

Wie kann das jetzt auf einmal sein? Bei lauter Teilzeitstellen, wo das Unternehmen sowieso sehr akribisch und knapp seinen Personalbedarf bereits berechnet? Meine wäre ja auch 30Std./Woche. Jetzt auf einmal hätte man eventuell Platz für noch einen Angestellten, wenn ich mich gut machen sollte?

Wie reimt sich das denn zusammen?
Deswegen also die Bedenken.
Aus meiner Sicht ist das ganz normal. Die meisten Mitarbeiter, die in Mutterschutz gehen, lassen sich alle Möglichkeiten offen, was den Zeitpunkt ihrer voraussichtlichen Rückkehr betrifft. Also muss der AG die Mitarbeiterplanung so machen, dass er sich allen eventuellen Entscheidungen der Mitarbeiterin anpassen kann: befristet ein Jahr ist am sichersten, aber es kann ja auch sein, dass sie nach einem Jahr um ein Jahr verlängert und nochmal und zum Ende des dritten Jahres verkündet, dass sie gar nicht wieder kommt. Die Erfahrung zeigt aber, dass in der Zwischenzeit oft andere personelle Dinge passieren (beispielsweise dass jemand kündigt) und deshalb wird oft mit "Elternzeitvertretung mit Übernahmeoption" geworben. Man weiss ja, dass das für die neue MA blöd ist, kann aber niemanden fest einstellen, möchte demjenigen aber entgegen kommen, so weit es eben geht.

Also für mich ist das kein Grund, Bedenken zu haben.
BlackDiamond
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Beitrag von BlackDiamond »

flagellum hat geschrieben:Den genauen Zusammenhang hat er mir nicht erzählt, auf jeden Fall kamen jedoch in seiner Erzählung die Wörter "griesgrämig" und "abweisend / mürrisch" vor, und zweimal das Wort "bitter". Du weißt wahrscheinlich, dass einer Führungskraft solche Worte manchmal kein zweites Mal verziehen werden, nicht jede Geschäftsführung würde damit locker umgehen wollen.
Das verstehe ich jetzt nicht. Wer war griesgrämig oder abweisend und mürrisch? Die vorherige Mitarbeiterin? Und warum werden einer Führungskraft solche Worte nicht verziehen? Ich steh irgendwie auf dem Schlauch.
flagellum
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Beitrag von flagellum »

Hallo, BlackDiamond, danke für die Infos, ja, klingt einleuchtend. Ich schaue mal, wie es sich entwickelt.

Was Deine Fragen angeht: ja, aller Wahrscheinlichkeit nach es die vorherige Mitarbeiterin, die sich "griesgrämig" und "abweisend"benommen hat. Sie war ja die einzige, die im selben Raum mit ihm gearbeitet hat und er zeigte dabei schon -von der Gestik her- auf den Raum da, wo er sitzt und mit ihr früher gesessen hat.
Was die Führungskräfte angeht: nicht jeder Geschäftsführer würde damit locker umgehen, dass eine seiner Führungskräfte gleich zum Vorstellungsgespräch einem Bewerber offen vom negativen Klima im Betrieb erzählt. Es wird einem ja dann als Mangel an Professionalität ausgelegt.
BlackDiamond
Bewerbungshelfer
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Beitrag von BlackDiamond »

Ah okay, jetzt habe ich es verstanden, danke.

Ja, es menschelt halt immer und überall. :wink:
katerfreitag
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Beitrag von katerfreitag »

Nach Deiner Schilderung würde ich eher davon ausgehen, dass ihr auf der gleichen Wellenlinie liegt. Klar, aus der Ferne ist das schwer zu beurteilen, aber für mich wirkt es so, als wäre er sehr aufrichtig - und hat vermutlich wirklich sehr unter der Situation mit der Kollegin gelitten.
flagellum
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Beitrag von flagellum »

Hallo ihr beiden und danke für die Rückmeldung.

Ja, es kann sein, dass wir auf derselben Wellenlänge sind, das kann ich nicht ausschließen, dafür ist es zu früh. Es hat sich aber schon etwas ergeben: Ich habe gestern beim Personaldienstleister unterschrieben und war heute zum ersten Arbeitstag im Einsatzbetrieb tätig. Habe einige Leute kennengelernt, aber nur kurz halt.

Sind bestimmt Leute, die schon mehrmals Leiharbeitnehmer begrüßt haben, eine andere Dame ist -glaube ich- sogar von einem anderen Dienstleister, wenn ich meinen neuen Chef richitg verstanden habe!? Gut, es war etwas anstrengend, aber ich denke, dass es geht und was werden kann. Mehr kann ich momentan nicht sagen. Auf jeden Fall hat er heute nicht von Bitterkeit oder Ähnlichem gesprochen, er war echt nett.

Und gleich, nachdem ich da rausgekommen war nach Feierabend, sehe ich die Nachricht von der Universität (siehe ersten Post): eine Zusage. Was macht man da jetzt? hahahaaa Ironie des Schicksals eigentlich, andererseits sehr erfreulich, wenn man eine (zweite) Zusage bekommt. Nun darf ich mir bis zum nächsten Montag (wenn mir die Uni die Zeit gewährt) den Kopf zermartern, ob ich doch nicht die 30-Std-Stelle kündigen will und bei der Uni durchzustarten. Luxusprobleme, könnte man meinen.
katerfreitag
Bewerbungshelfer
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Beitrag von katerfreitag »

Meinen Glückwunsch zur Qual der Wahl! :)
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