Geheimcodes und Verschlüsselungstechniken: Arbeitszeugnisse verstehen

Das Problem bei der Erstellung und späteren Interpretation von Arbeitszeugnissen besteht darin, dass es keine allgemein verbindlichen Vereinbarungen zur Bewertungsskala und zu den entsprechenden Formulierungen gibt. Während einige Kernsätze wenigstens einer Bewertungsrichtung zuzuordnen sind, lassen viele weitere Formulierungen einen großen Interpretationsspielraum offen.

Darüber hinaus treten weitere Faktoren auf, die die Arbeitszeugnis-Ausstellerin und die Arbeitszeugnis-Leserin beeinflussen:

  • Unterschiedliche Vorstellung über den Umfang eines Arbeitszeugnisses
  • Unterschiedliche Kenntnis der Formulierungen für das Arbeitszeugnis
  • Unterschiedliche Einordnung der Formulierungen hinsichtlich einer Notenskala
  • Unterschiedliche Gewichtung einzelner Teile des Arbeitszeugnisses
  • Unterschiedliche Achtsamkeit auf Details
  • Unterschiedliche Kenntnis der aktuellen Rechtsprechung zu Arbeitszeugnissen

Diese Faktoren führen dazu, dass zwei verschiedene Arbeitszeugnis-Aussteller über ein und dieselbe Person komplett voneinander verschiedene Arbeitszeugnisse anfertigen können. Außerdem können zwei verschiedene Arbeitszeugnis-Leser ein Arbeitszeugnis auch komplett unterschiedlich bewerten.

Wie kann ein Arbeitszeugnis interpretiert werden?

Ein Arbeitszeugnis kann am besten im Gesamtkontext bewertet werden. Nur nach der Bedeutung einzelner Formulierungen zu gehen, führt oft in die Irre.

Die Kernsätze zur Leistungs- und Verhaltensbeurteilung und die Schlussformel sind einer Notenstufe zugeordnet und lassen sich damit am leichtesten interpretieren. Die anderen Arbeitszeugnis-Formulierungen sind dagegen nicht so eindeutig und lassen somit Interpretationsspielräume zu. Arbeitszeugnisse nicht daher nie eindeutig interpretierbar.

Für eine erste grobe Bewertung eines Arbeitszeugnisses spielen folgende Punkte eine große Rolle: die äußere Form, der Umfang und die Reihenfolge der Tätigkeiten, die Kernsätze zur Leistung und zum Verhalten sowie die Schlussformel.

Welche äußeren und förmlichen Mängel können Arbeitszeugnisse aufweisen?

Ein Arbeitszeugnis darf keine förmlichen und äußeren Mängel haben. Diese Mängel sind zwar keine Geheimzeichen an sich, aber eine Nichtbeanstandung kann dazu führen, dass die Mängel auf den Arbeitnehmer zurückfallen.

Solche äußeren und förmlichen Mängel sind vor allem Schreibfehler, Durchstreichungen, Flecken, Knicke, Hervorhebungen durch Unterstreichungen oder Fettschrift, Ausrufungszeichen, Fragezeichen oder Gänsefüßchen.

Welche Geheimcodes gibt es in Arbeitszeugnissen?

Allerdings gibt es durchaus Verschlüsselungstechniken bzw. Geheimcodes, um eine eher durchschnittliche oder negative Bewertung von verschiedenen Aspekten nicht auf den ersten Blick sichtbar erscheinen zu lassen. Zu solchen Geheimcodes bzw. Verschlüsselungstechniken gehören zum Beispiel:

Andeutungstechnik

Die Verwendung von mehrdeutigen Wörtern, die eine ungünstige Deutung nahelegen.

Einschränkungstechnik

Inhaltliche, zeitliche und räumliche Einschränkungen sind als negativ zu bewerten.

Knappheitstechnik

Ein kurzes Arbeitszeugnis und ein Missverhältnis zwischen Tätigkeitsbeschreibung und der Beurteilung von Leistung und Verhalten deuten auf eine Geringschätzung des Arbeitnehmers hin.

Leerstellentechnik

In einem Arbeitszeugnis erfolgen Auslassungen zu wichtigen und notwendigen Sachverhalten, die allgemein erwartet werden können. Dieses beredte Schweigen deutet auf versteckte Kritik hin, da es zu den wichtigen und notwendigen Sachverhalten bezüglich des Arbeitnehmers nichts Gutes zu berichten gibt.

Passivtechnik

Die gehäufte Verwendung der Passivform deutet auf einen passiven Mitarbeiter hin. Aber auch schon einzelne Sätze in der Passivform können negativ gemeint sein.

Reihenfolgetechnik

Unwichtige Sachverhalte werden vor wichtigen Sachverhalten genannt; besonders häufig bei der Tätigkeitsbeschreibung und bei der Verhaltensbeurteilung zu Vorgesetzten, Kollegen und Kunden.

Wenn die unwichtigen Tätigkeiten zuerst genannt werden, deutet das darauf hin, dass der Arbeitnehmer die wichtigen Tätigkeiten nicht zufriedenstellend bearbeitet hat.

Wenn die Vorgesetzten bei der Verhaltensbeurteilung nicht zuerst genannt werden, deutet das auf Probleme mit den Vorgesetzten hin.

Verneinungstechnik

Eine doppelte Verneinung ist schlechter als eine einfache positive Aussage zu bewerten.In einem Arbeitszeugnis sollten keine negativ konnotierten Wörter verwendet werden, auch wenn sie durch eine Verneinung eine positive Bedeutung erfahren.

Widerspruchstechnik

Die Verwendung von widersprüchlichen Formulierungen oder Sätzen und das Auftreten von Widersprüchen zwischen den Kernsätzen bzw. der Gesamtnote und einzelnen Aussagen sind als negativ zu interpretieren.

Welche Wörter und Formulierungen sind negativ im Arbeitszeugnis?

Zu den negativen Wörtern und Formulierungen gehören: “Pünktlichkeit”, “Geselligkeit”, “Einfühlungsvermögen”, “Arbeitnehmerinteressen”, “Verbesserungsvorschläge”, “war bemüht”, “trat ein” oder “war beschäftigt”.

Pünktlichkeit

Diese Eigenschaft wird allgemein als selbstverständlich erachtet, sodass die Erwähnung der Pünktlichkeit als Hinweis auf sonst fehlende bzw. mangelhafte Eigenschaften gesehen werden kann.

Geselligkeit

Einer der Codes im Arbeitszeugnis, der auf Probleme im privaten Bereich hindeuten kann.

Einfühlungsvermögen

Das ist eine Eigenschaft, die zumindest in nicht-sozialen Bereich negativ belegt ist und sich auf den möglichen privaten Kontakt zu anderen Mitarbeitern bezieht.

Arbeitnehmerinteressen bzw. Belange der Belegschaft

“Warnung” vor Betriebsrats- und Gewerkschaftsmitgliedern.

Verbesserungsvorschläge

Kann ein Anzeichen für die Einschätzung eines Mitarbeiters als Besserwisser sein. Wenn es aber zusätzliche Bemerkungen hinsichtlich der Einsparungen und Qualitätssteigerungen durch Verbesserungsvorschläge gibt, dann steckt häufig eine positive Intention dahinter.

war bemüht“

Das ist eine sehr negative Formulierung, die besagt, dass der Arbeitnehmer die Aufgaben nicht zufriedenstellend erfüllte.

trat ein“

Hiermit wird nur ein Zeitpunkt und kein Zeitraum der Beschäftigung zum Ausdruck gebracht. Diese Formulierung wird verwendet, wenn der Arbeitnehmer viele Fehlzeiten vorzuweisen hat.

war beschäftigt“

Auch wenn sich diese beiden Wörter in ihrer Bedeutung kaum unterscheiden, kann die Formulierung „war beschäftigt“ zu Missverständnissen führen, die mit „war tätig“ nicht so schnell auftreten.

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